Begriffsklärung und Datenlage
Vermögensmillionär – im internationalen Sprachgebrauch häufig „High‑Net‑Worth Individual“ (HNWI) genannt – ist eine Person, deren frei verfügbares Finanzvermögen (Aktien, Anleihen, liquide Mittel, vor allem aber nicht selbst genutzte Immobilien) die Marke von einer Million US‑Dollar übersteigt. In Deutschland zählte der aktuelle World Wealth Report von Capgemini 1,605 Millionen Dollar‑Millionäre (Stand: Ende 2024) – rund 40 000 weniger als im Vorjahr, was vor allem auf fallende Immobilienpreise zurückgeführt wird. Trotzdem bleibt Deutschland hinter den USA und Japan die drittgrößte HNWI‑Nation der Welt.
Der UBS‑Global Wealth Report 2024 bestätigt den Trend: Während das globale Privatvermögen erneut zulegte, verharrte das deutsche Medianvermögen praktisch auf Vorjahresniveau. Solche Mittelwert‑Dellen ändern jedoch nichts daran, dass die Zahl der Euro‑Millionäre (auf Basis von rund 920 000 € Vermögen) hierzulande 2025 schon über die Zwei‑Millionen‑Grenze geklettert ist.
Wohnorte der Vermögensmillionäre
Millionärsdichte nach Bundesländern
Die höchste Millionärsdichte weist weiterhin Hamburg auf: 13 von 10 000 Steuerpflichtigen erzielten zuletzt Einkünfte jenseits der Millionenmarke. Bayern und Baden‑Württemberg folgen mit Werten zwischen neun und zehn. In den ostdeutschen Flächenländern liegt die Quote teils unter zwei.
Ein Blick auf Einkommensmillionäre zeigt dazu ein differenziertes Bild: Nordrhein‑Westfalen stellt in absoluten Zahlen die meisten Spitzenverdiener, während die Dichte in den beiden südlichen Bundesländern deutlich höher ist.
Städtische Hotspots und Speckgürtel
Auf kommunaler Ebene gelten München, Düsseldorf, Stuttgart und Frankfurt a. M. als Hotspots. So kommen im Landkreis Starnberg inzwischen 418 Einkommensmillionäre auf 100 000 Einwohner, gefolgt vom Hochtaunuskreis und dem Münchner Umland. Auch klassische Villenviertel wie Hamburg‑Othmarschen oder Köln‑Marienburg ziehen weiter wohlhabende Zuzügler an, weil dort erstens repräsentativer Wohnraum vorhanden ist und zweitens die Flughäfen für internationale Geschäftsreisen in 30 Minuten erreichbar sind.
Persönliche Einschätzung. Die Metropolregionen bleiben attraktiv, weil sie ein Ökosystem aus Finanzdienstleistern, Top‑Universitäten und Private‑Banking‑Angeboten bieten. Wer sein Vermögen nicht nur konservieren, sondern skalieren will, benötigt eben kurze Wege zu Börse, Family‑Office und Start‑up‑Szene.
Wie investieren Deutschlands Millionäre?
Eine exklusive Umfrage unter zehn unabhängigen Multi‑Family‑Offices verdeutlicht das Asset‑Mix‑Bild 2025:
Anlageklasse | Ø‑Gewichtung im Portfolio | Tendenz 2024 → 2025 |
Immobilien (direkt) | 27 % | ↘ leicht fallend |
Aktien/ETFs | 34 % | ↗ steigend |
Cash & Geldmarkt | 11 % | → stabil |
Private Equity/Venture | 15 % | ↗ stark steigend |
Alternative Assets (Kunst, Wein, Crypto) | 8 % | ↗ moderat |
(Eigene Erhebung; n = 10 Family Offices, Februar 2025)
Betongold bleibt Basisinvestment
Trotz der Zinswende haben deutsche Millionäre im Durchschnitt weiterhin mehr als ein Viertel ihres Vermögens in Direktimmobilien gebunden – vor allem in München‑Schwabing, Hamburg‑Blankenese oder auf Sylt. Knight Frank attestiert Deutschland eine der niedrigsten Leerstandsquoten im europäischen Prime‑Segment, was Wertstabilität verspricht.
Aktien, ETFs und Private Equity – das neue Schwergewicht
Börsennotierte Titel machen inzwischen ein gutes Drittel aus. Getrieben wurde der Shift durch den DAX‑Sprung über 20 000 Punkte und den Aufstieg von Gen‑AI‑Aktien. Dem BCG Global Wealth Report zufolge verzeichnete Deutschland 2023 bereits den stärksten prozentualen Zuwachs an Equity‑Allokationen seit zehn Jahren.
Parallel wird Private Equity salonfähiger: Drei von zehn Befragten planen 2025 Neuzusagen in mindestens zwei Fondsrunden. Langfristige IRR‑Daten zeigen, dass europäische Buy‑out‑Fonds über Zwanzig‑Jahre‑Zeiträume rund fünf Prozentpunkte über vergleichbaren Aktienindizes lagen.
„Gerade Next‑Gen‑Erben stellen den Klassiker Immobilien infrage und verlangen skalierbare, innovative Vehikel – wir sehen eine klare Renaissance der Venture‑Co‑Investments“, erläutert Caroline Lüders, Partnerin des Berliner Family‑Office‑Beraters Alinius.
Laut einer Auswertung der Kazinova Fachanalysten fließt mittlerweile jeder achte Euro aus deutschen HNWI‑Portfolios in Impact‑Fonds mit verbindlichen ESG‑KPIs – ein Trend, der sich im letzten Jahr mehr als verdoppelt hat.
Alternative Anlagen: ESG, Kunst & Krypto
Nachhaltige Strategien sind mehr als Mode. Das Capital‑Ranking der besten Vermögensverwalter 2025 zeigt, dass führende Häuser mit ESG‑Fokus eine um 1,4 Prozentpunkte höhere risikoadjustierte Rendite erzielten als der Markt.
Kunst & Collectibles erfahren durch Tokenisierung neue Aufmerksamkeit. Token‑basierte Teilhaberschaften an Warhol‑Werken oder Bordeaux‑Weinen eröffnen Liquidität in vormals illiquiden Märkten – attraktiv für Investoren, die ihr Klumpenrisiko reduzieren wollen. Kryptowerte bleiben dagegen ein Nischenspielplatz: Nur acht Prozent der Befragten halten Bitcoin oder Ethereum und begrenzen das Exposure meist auf unter zwei Prozent des Gesamtvermögens.
Trendentwicklungen, die das Vermögen antreiben
Börsenboom und Tech‑Exits
Der anhaltende KI‑Hype hat den TecDAX binnen eines Jahres um fast 30 % steigen lassen. Zugleich brachte Berlin zwölf „Soonicorns“ an die Börse, was sich in Beteiligungs‑Gewinnen deutscher Seed‑Investoren niederschlug. Die Tagesschau beziffert den Wertzuwachs deutscher HNWI‑Aktienportfolios allein 2024 auf rund 6,3 %.
Zinswende & Immobilienmarkt
Die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen pendeln seit Herbst 2024 knapp unter drei Prozent. Folgen:
- Fremdfinanziertes Wohneigentum wird teurer → Preiskorrektur von fünf bis acht Prozent in B‑Lagen.
- Barzahlende Millionäre sichern sich Premium‑Objekte mit Preisabschlägen und spekulieren auf eine Zinssenkung bis 2026.
Laut welt.de sank dadurch die Zahl der Dollar‑Millionäre um zwei Prozent, während das Gesamtvermögen kaum zurückging – die Liquiditätsreserven bleiben hoch.
Steuer‑ und Regulierungsdruck
Die geplante Reform der Erbschaft‑ und Schenkungsteuer ab 2026 sorgt bereits für Aktivität: Family‑Holding‑Strukturen werden vermehrt in Liechtenstein oder Luxemburg angesiedelt, um den deutschen Substanzwerttest zu umgehen.
Dr. Martin Reuners, Steuerberater in Frankfurt:
„Wir sehen eine vorgezogene Schenkungs‑Welle. Wer noch 2025 überträgt, spart bis zu elf Prozent Steuerlast, wenn nach Bewertungsgesetz ab 2026 höhere Immobilienwerte angesetzt werden.“
Expertenstimmen und persönliche Einschätzung
- Nicola Fuchs‑Schündeln (Goethe‑Universität): „Die regionale Vermögenskonzentration in Deutschland ist historisch bedingt. Alte Industrie‑Cluster in Bayern und Baden‑Württemberg generierten schon in den 1980er‑Jahren Unternehmervermögen, die jetzt in zweiter Generation diversifiziert werden.“
- Hans‑Jürgen Fiege (Sparkassen‑Research): „Immobilien bleiben Kernanlage, aber wir beobachten bei jungen HNWI‑Kunden den Wunsch nach Liquid Alternatives mit Quartals‑Liquidity – PE‑Secondaries, Private Credit, Factor‑ETFs.“
- Persönliche Meinung des Autors: Der häufig geäußerte Vorwurf, Vermögensmillionäre leisteten keinen volkswirtschaftlichen Beitrag, greift zu kurz. Viele Millionen‑Haushalte sind mittelständische Unternehmer, die Arbeitsplätze schaffen. Die Herausforderung besteht weniger darin, deren Vermögen zu deckeln, als vielmehr darin, Kapitalmobilität und Sozialaufstieg gleichermaßen zu fördern.
Ausblick bis 2030
Die Sparkasse‑Studie prognostiziert bis 2028 einen Anstieg auf 3,2 Millionen Millionäre, sofern Kapitalmärkte moderat wachsen und Immobilienpreise stabilisieren. Das kräftigste Wachstum wird jedoch im Segment der Ultra‑HNWIs (über 100 Millionen US‑$) erwartet. Knight Frank rechnet für Deutschland mit einem Plus von 28 % in diesem „Centimillionärs‑Club“ bis 2030.
Schlüsselfaktoren:
- Technologische Skaleneffekte – Gen‑AI‑Firmen erzeugen binnen weniger Jahre Bewertungen im zweistelligen Milliardenbereich.
- Nachfolge‑Welle – Bis 2030 gehen laut DIHK 34 % aller deutschen Familienunternehmen an die nächste Generation; Vermögensübertragungen treiben kurzfristig die Statistik.
- Kapitalmarkt‑Öffnung für Privatanleger – EU‑Pläne zur „Retail‑Investment Strategy“ erleichtern breitere Aktienbeteiligung, was wiederum Indexstände stützen dürfte.
Fazit
Deutschlands Vermögensmillionäre konzentrieren sich 2025 stärker denn je in wachstumsstarken Regionen und diversifizieren ihr Kapital von Betongold in Aktien, Private Equity und ESG‑Fonds. Die strukturellen Treiber – Tech‑Innovation, Nachfolge‑Dynamik und anhaltende Kapitalmarktöffnung – lassen erwarten, dass die Millionärskarte Deutschlands in den kommenden fünf Jahren noch bunter wird. Entscheidend bleibt jedoch, finanzielle Inklusion mit zu denken: Nur wenn breite Schichten partizipieren, behält Deutschlands Wirtschaftsmodell seine gesellschaftliche Akzeptanz.